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Flüchtlinge verweigern Bürgerpflichten

Flüchtlinge verweigern Stadtpflichten

Von Günther Hilgemann

Burgsteinfurt - Ein Stück Geschichte aus der Zeit des 30jährigen Krieges bleibt im Burgsteinfurter Stadtbild in drei Straßennamen unauslöschlich: Die Kalkarstiege sowie die Mennoniten- und Mennistenstiege. Als im August 1623 die Stadt in den Blickpunkt der historischen Schlacht zwischen Protestanten und Katholiken bei Stadtlohn geriet, gab es in der Burgsteinfurter Bevölkerung große Unruhe.

Die mittelalterliche Stadtbefestigung von Burgsteinfurt

Die gut befestigte Stadt mit zwei parallel verlaufenden Stadtgräben, mit Wällen, sechs Meter hohen Mauern und vier gewaltigen Stadttoren brauchte Personal, um diese Sicherungseinrichtungen zu bewachen.

In den 30 Jahren vor dem Ausbruch des 30jährigen Krieges hatte Burgsteinfurt eine Blütezeit erlebt. Die Bevölkerung war sprunghaft von 1500 auf 2500 Bürger angewachsen. Das lag überwiegend am Zuzug von recht begüterten Mennoniten aus dem katholischen Umland. Sie waren mit den Wiedertäufern in Münster in Verbindung gebracht worden und mussten aus ihren Wohnorten fliehen. Die Wirtschaftskraft der Stadt stieg darauf besonders durch die enorme Neubautätigkeit. Auch die engen Handelskontakte der Mennoniten zu den Niederlanden brachten für die gewerbliche Produktion von Leinen und Wolle neue Einkunftquellen für die kleinbürgerliche Bevölkerung.

Die Kalkarstiege an der Hahnenstraße - Heinrich von Kalkar wohnte im Huck-Beifang-Haus von 1617-1634

Nun hat jede Medaille zwei Seiten. Ihren Bürgerpflichten wollten die Mennoniten nämlich nicht nachkommen. Rat und Bürger der Stadt fanden deshalb an diesen Flüchtlingen keinen großen Gefallen. Sie lehnten den Bürgereid ab und verweigerten als strenge Pazifisten jegliche Teilnahme an der Stadtwache und den bewaffneten Diensten, auch an Schützenfesten. Mit dem Bürgereid musste sich jeder Neubürger verpflichten, zu „wachen und zu eisen“, d.h. Wachdienste zu übernehmen und im Winter die Stadtgräben eisfrei zu halten, außerdem bei den Schützenfesten das Schießen zu üben. Zudem lehnten die Mennoniten oder Mennisten auf der Glaubensgrundlage des niederländisch-friesischen Theologen Menno Simons die übliche Kindtaufe ab. Menno Simons hatte gepredigt, dass Menschen ausschließlich dann getauft werden sollten, wenn die zu Taufenden sich bewusst für den Glauben entscheiden können. Alkoholische Getränke waren bei ihnen auch verpönt. Das passte natürlich überhaupt nicht in das bürgerliche Gefüge. So kam es in verschiedenen Fällen zu Protesten in der Bevölkerung. Man rief in öffentlichen Versammlungen dazu auf, die Kinder nicht zu Mennoniten in die Lehre zu schicken, weil sie dort „verführt“ würden. Der Sohn von Älke Dalming allerdings, der wiederholt beim Besuch von Versammlungen der Mennoniten ertappt wurde, gab als Entschuldigung an, er habe keine Lust, sich an den Saufereien der jungen Schützen zu beteiligen und halte sich lieber an die Mennoniten.

Landesherr Graf Wilhelm Heinrich war um die Sicherheit seiner Stadt besorgt. In diesen gefährlichen Kriegszeiten sei es mehr denn je notwendig, gute Wacht zu halten, um die Stadt vor Überfällen der marodierenden Kriegshorden zu schützen. Worauf die Bürgermeister entgegneten, der Ausfall der Mennoniten, die sich beharrlich weigerten an der Wache teilzunehmen, bereite ihnen einiges Kopfzerbrechen. Als Vermittlungsversuch schlug der Graf vor, jeder Mennonit solle einen Ersatzmann stellen. Daraufhin ließen sie durch Heinrich von Kalkar und Johann Werners vorbringen, einen bewaffneten Wächter zu stellen, belaste ihr Gewissen; der Rat möchte ein Einsehen haben und sie nicht zwingen, gegen ihr Gewissen zu handeln. Ansonsten wären sie zu jeglichem Dienst für die Stadt bereit, auch zu Arbeiten an Wällen und Gräben. Offenbar aber haben die Mennoniten sich mit ihrem Standpunkt durchgesetzt, denn weitere Protokolle über diese Angelegenheit sind nicht vorhanden.

Die Mennistenstiege zwischen Molkereistraße und Lohkamp - 50 Meter weiter links verläuft parallel die Mennonitenstiege